Emotionales Essen – Höre auf, Krieg gegen Dich selbst zu führen

 Oder: Was ist Deine „Tiefkühlpizza“?

 Und: Was ist Deine Wahrheit, die dahinter steht? Was ist Dein Schmerz?

 Was braucht es, um diesen Schmerz zu heilen?

  

Schlagworte: Emotionales Essen, Sucht nach Zucker, Weizen, Alkohol oder anderen Drogen, Zuckersucht, Alkoholsucht, Weizensucht

 

Warum tut man etwas, obwohl man von diesem weiß, dass es einem eigentlich nicht gut tut?

Ich esse z. B. ein Nahrungsmittel XY, von dem ich weiß, dass es nicht gesund isst/dass es nicht gut ist für mich? Auf der bewussten Ebene weiß ich es, TROTZDEM „MUSS“ ich es tun und dagegen handeln. Wie fern-/fremdgesteuert esse ich es, obwohl meine Ratio weiß, dass es nicht gut ist.

 

Warum führe ich Krieg gegen mich selbst?

Ich hatte einen Traum. Ich träumte davon, mir eine Tiefkühlpizza zu „gönnen“. Ich weiß (Ratio), dass eine Tiefkühlpizza aus zweierlei Gründen nicht gut ist für mich: erstens enthält sie als hochverarbeitetes industrielles Convinience-Food wenig Leben (was ein wichtiger Anspruch wäre an ein Lebensmittel). Aber auch eine handwerklich zubereitete Pizza aus besten frischen Zutaten wäre nicht das Optimum für mich, weil sie, und das ist der zweite Grund, Weizen enthält. Ich weiß (Ratio), dass Weizen mir nicht gut tut und dass Weizen meinen Zielen, was ich mit meinem Körper vorhabe, genau diametral zu wider läuft! Ich weiß das! Und habe es über Jahre immer wieder erfahren, immer wieder ausprobiert, wie mein Körper auf Weizen reagiert. Es ist nicht gut für ihn / für mich.

 

Warum sagt der Kopf nein und der Körper hat trotzdem das Verlangen? Warum will das körperliche Verlangen sich durchsetzen und ich kann es mit der Ratio nicht beherrschen? Warum führe ich diesen Krieg gegen mich selbst?

Ich „muss“ es machen, weil es mir ja gerade „sooo schlecht“ geht. Ich muss Weizen (oder Zucker oder andere Suchtmittel) essen, damit es mir kurzfristig („jetzt gerade“/“in diesem Moment“) besser geht. Langfristig verschlechtert es aber meine Situation und Stimmung. Bei längerem Weizen-Konsum werde ich depressiv. Ich weiß das. Und trotzdem möchte ich es JETZT. Der Heroin-Süchtige weiß auch, dass die Droge langfristig nicht gut für ihn ist. Aber was zählt, ist der Schmerz, den er JETZT gerade hat und den er wegmachen möchte. Aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen eher ihr Handeln auf die nahe Zukunft ausrichten als auf die ferne. Jetzt gilt es den Schmerz zu bekämpfen. Auch wenn die Substanz langfristig schadet. Der Süchtige (nach was aus immer) überwindet diese Dissonanz (unangenehmer Spannungszustand, der aus diesem Widerspruch entsteht), indem er sich sagt: „Nur diese eine Mal noch!“ und als beruhigenden Nach-Satz: „Heute ist wirklich das letzte Mal. Morgen ist dann Schluss.“ Der Süchtige selbst betrügt sich jeden Tag damit auf’s Neue. Das Umfeld reagiert vielleicht zunächst belustigt: Derjenige hat schon tausend mal gesagt, dass er mit Rauchen aufhören möchte, macht es aber trotzdem immer wieder. Irgendwann reagieren die Mitmenschen vielleicht genervt, weil die Vorhaben, was derjenige sagt, was er machen möchte, und was er tatsächlich tut, nicht zusammen passen. Aus der Belustigung wird schließlich eine Genervtheit, weil die nahestehenden Personen mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert werden, dass sie der Person nicht helfen können. Daraus kann es sich dann zur letzten Stufe entwickeln: Das Umfeld wendet sich ab von dem Betroffenen. Der Alkohol/die Droge, was auch immer, ist stärker. Man überlässt ihn seiner Sucht und möchte sich das Elend aber auch nicht mehr weiter anschauen.

 

Warum führt diese Person diesen Krieg gegen sich selbst?

Exkurs: Warum führt man überhaupt Kriege? Kriege führt die Menschheit seit Anbeginn ihres Bestehens. Die treibende Kraft dahinter ist eine negative Emotion: Wut. Wut darüber, dass der andere etwas macht, was man selbst nicht möchte. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man zusammenlebt -  z. B. wie man Land/Gebiete untereinander aufteilt, wie man andere Ressourcen (Gas, Erdöl, Wasser etc.) aufteilt, welche Religionen man lebt (sie bestimmen auch das soziale Miteinander) usw. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Und hält diese für richtig. Erkennt er, dass der andere eine andere Wahrheit (Sicht auf die Dinge) hat, kann er versuchen:

1.) Den anderen von seiner Wahrheit überzeugen (mit Worten).

2.) Dem anderen mit Gewalt seine Wahrheit aufzwingen (Krieg).

3.) Die andere Wahrheit akzeptieren und jedem seine eigene Wahrheit zugestehen (Frieden).

 

Aber zurück zum Krieg gegen mich selbst: Was sind die Ursachen, dass ich gegen mich selbst arbeite?

Der Draufsetzer in diesem Traum von dem Verlangen nach der Tiefkühlpizza war, dass ich träumte, diese Tiefkühlpizza direkt während/innerhalb einer therapeutischen Gruppe zuzubereiten (in der ich zwei Tage zuvor war). Und dann auch dort zu essen und genüsslich zu verspeisen. Um mich zu beruhigen. Um mir etwas zu „gönnen“, damit es mir (jetzt) besser geht. Weizen hat für mich einen dämpfenden Effekt. Bin ich traurig und hilflos, beruhigt es mich. Kurzfristig (innerhalb von wenigen Minuten) wirkt es stimmungsaufhellend. Ich fühle mich besser und erleichtert (die Ursachen für diesen Effekt erkläre ich gerne an anderer Stelle). Mittelfristig (innerhalb der ersten Stunden nach dem Konsum) wirkt Weizen beruhigend: es macht schwer, ich fühle mich gehalten/getragen. Es lullt ein, ich bin wie ein bisschen benebelt, mein Affekt ist gedämpft – im Bereich der negativen Emotionen zunächst, was ja gewünscht ist. Es wirkt fast wie ein Antidepressivum. Doch langfristig dämpft es auch den positiven Affekt. Auch Antidepressiva dämpfen sowohl den negativen als auch den positiven Affekt: ich fühle mich nicht mehr so elend (negative Emotionen nach unten), aber ich fühle mich unter langfristiger Einnahme von Antidepressiva nicht wirklich glücklich, weil ich ebenso auch die positiven Emotionen nach oben (die Spitzen des Glücksempfinden) nicht erreichen kann. Und diesen Effekt hat Weizen auf mich: wenn ich es langfristig konsumiere (häufiger über mehrere Tage hinweg) fühle ich mich lethargisch und depressiv, weil ich nicht in den oberen Bereich der Emotionen / des Glücksempfindens komme. Was kann ich also machen? Ich könnte immer wieder (= mehrfach am Tag) Weizen essen, um den kurzfristigen Moment der Beruhigung und Stimmungsaufhellung zu erfahren. Aber: langfristig verändert Weizen meinen Körper in eine Richtung, die ich nicht möchte! (Ich nehme vor allem an Bauchspeck zu (subkutanes Bauchfett), aber auch an viszeralem Bauchfett (der Bauch wächst, weil im Bauchraum Fett angelagert wird). Meine Muskelmasse nimmt ab – alles wird wabbeliger und ich werde „aufgedunsen“.)

 

Was ist also die Lösung?

Die Lösung ist: Aufhören. Aufhören mit dem, was mir nicht gut tut. Sei es der Weizen. Der Zucker. Der Alkohol. Das Nikotin. Oder eine andere Droge. Es gilt, sich den Schmerz anzuschauen, der dahinter steht. Warum kommt dieser Traum von der sedierenden Tiefkühlpizza zwei Tage nach einem therapeutischen Seminar, in dem ich an einen großen Schmerz gekommen bin? An meinen Liebeskummer, weil ich mich in jemanden verliebt hab‘, der mir aber das, was ich möchte von ihm, nicht geben kann/will. Was ist mein Schmerz? Mein Schmerz ist, dass ich ihn unbedingt haben möchte (aber leider nicht haben kann), um nicht allein zu sein. (Dies ist ein ur-menschliches Bedürfnis.) Dieser Schmerz will auf etwas aufmerksam machen. Der Schmerz will auf etwas aufmerksam machen, was bisher nicht gesehen und gehört wurde: auf die (verdrängten) Ursachen. Auf die Wahrheit dahinter. Was ist meine Wahrheit? Meine Wahrheit ist, dass ich – de facto/tatsächlich – alleine bin!

 

Es gilt, diese Wahrheit ersteinmal anzunehmen. Dableiben. Nicht weglaufen. Das aushalten. Und sich anschauen. Um was geht es? Wer bin ich? Was brauche ich wirklich, damit es mit gut geht?

 

Es gehört Mut dazu, dort hinzuschauen. Alleine stellen sich die meisten Menschen diesem Schmerz nicht. Aber mit therapeutischer Unterstützung und mit Liebe kann es gehalten werden – z. B. in einer liebevollen Aufstellungsgruppe. Die Themen, die kommen, werden gehalten. Du als Mensch, der Du ganz individuell bist, wirst gehalten. Mit dieser Kraft und diesem Halt brauchst Du nicht mehr wegzulaufen, sondern Du kannst Dir diese Deine Themen anschauen. Sie fühlen, aushalten und durchleben. Damit Du das zulassen kannst, was an Bedürfnissen hinter diesem Schmerz steht. Noch einmal: Der Schmerz will etwas zeigen. Er will auf etwas aufmerksam machen, was bisher nicht gesehen/gehört/ausgelebt wurde. Diese nicht gelebten Seelen-Anteile drücken sich in Form von Schmerz über den Körper aus. Seele und Körper sind verbunden. Schaust Du Dir die Ursachen an, die hinter dem Schmerz stehen, kannst Du sie lösen. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Was ist meine Wahrheit? Meine Wahrheit ist mein Alleinsein. Meine Wahrheit ist mein Dableiben. Nicht weglaufen, es nicht wahrhaben wollen, durch Übersprungshandlungen versuchen, diesen Schmerz wegzumachen. Du weißt aus jahrelanger Erfahrung, dass Weglaufen das Problem nicht löst. Du weißt aus jahrelanger Erfahrung, dass das Überdecken des Problems auch keine Lösung ist. Das Problem wird meistens nicht kleiner, sondern immer größer. Die Dosis der Droge muss immer weiter erhöht werden, um eine ablenkende Wirkung zu erzielen. Aber die Seele lässt sich nicht betrügen: Sie möchte mit dem Schmerz auf das eigentliche Problem/die Ursache hinweisen: ein nicht erfülltes (aber sehr wichtiges) Bedürfnis. Es kann sein, dass es um Liebe geht. Dass man sich angenommen fühlt. Geborgen. Gehalten. Beschützt. Wertgeschätzt. Geliebt.

 

Die Wahrheit ist aber auch, dass keine Droge der Welt diese Bedürfnisse nach einem sozialen liebevollen Miteinander, nach Menschlichkeit, ersetzen kann. Sie kann bei einem Mangel und einem daraus resultierenden Schmerz kurzfristig eine Linderung verschaffen. Aber die Droge kann niemals langfristig eine Lösung sein, um Bedürfnisse zu befriedigen, die aus dem Wunsch nach Menschlichkeit heraus entstehen. Menschliche Bedürfnisse (nach Liebe, Geborgenheit, sich gehalten und angenommen fühlen) können NUR (= ausschließlich)  soziale Beziehungen erfüllen. Diese Menschlichkeit, dieses Gehaltenwerden, dieses Angenommenwerden, diese Liebe erfährst Du in der Gemeinschaft der Jahresgruppe. Mit dieser Kraft kannst Du persönlich durch Deine individuellen Themen hindurchgehen. Sie durchleben. Sie bearbeiten. Sie auflösen. Indem Du die eigentlichen Bedürfnisse, die dahinter stehen, erkennst. Und Du lernst, Dir diese Bedürfnisse zu erfüllen. In Liebe zu Dir selbst. Und in Liebe zu anderen.

 

Dann hört es auf, dass Du diesen Schmerz (das Symptom) überdecken musst. Dann hört es auf, dass Du Weizen, Zucker, Alkohol usw. essen „musst“ (innerer Drang), obwohl Dein Kopf sagt und weiß (aus unzähligen Wiederholungen/Erfahrungen heraus), dass es nicht gut ist für Dich.

 

Dann bist Du bei Dir selbst angekommen. In Selbstliebe.

 

F Jahresgruppe